Mit Schreibapps konzentrierter schreiben
Beim Schreiben zu Hause locken Ablenkung und Prokrastination mehr als in Büro oder Bibliothek: das Telefon klingelt laut, die Familie wartet sehnsüchtig und die Fernbedienung ist zum Greifen nah. Apps zum Schreiben können dabei helfen, Versuchungen aller Art zu widerstehen und Schreibzeiten auch in heimischen Gefilden einzuplanen und durchzuziehen. Um Schreibprojekte zu meistern, sind Zeitplanung, Motivation und Konzentration essenziell. Das interessanteste wissenschaftliche Thema nützt uns wenig, wenn wir es nicht schaffen, es schrittweise zu untersuchen und darzustellen.
Daher sind sich Verhaltenspsychologen und Schreibexperten einig: dezidierte, realistische Schreibzeiten sind die Basis dafür, einen Text peu à peu konzentriert fertigzustellen. Und mit einem Belohnungssystem für geleistete Schreibzeiten können wir uns angewöhnen, lieber und öfter zu schreiben. Die meisten Apps zum Schreiben und Arbeiten folgen diesen grundlegenden Empfehlungen, mit kleineren und größeren Unterschieden:
Während manche Anwendungen mit Belohnungen locken, damit wir am Ball bleiben, bestrafen andere Anbieter uns beim Nichteinhalten unserer Schreibziele. Wiederum andere Programme befreien uns von allerlei Online-Ablenkungen: Sie blockieren Social Media etc., solange wir schreiben sollen. Welche Funktionen und Mechanismen bringen wohl deine Hände zum Tippen? Hier stellen wir vier Typen von Schreibapps vor, die wir mit Studierenden getestet haben. Jede Kategorie enthält Anwendungen für Android und Apple bzw. Windows und Mac, damit jede:r fündig wird.
Die Schreib-Helfer sind Apps, mit denen du Schreibzeiten planen und tracken kannst, wie Word Keeper, Writer Tools und Writeometer. Du kannst in einem Timer festlegen, wie lange du schreiben möchtest, zum Beispiel 25 Minuten. Danach klingelt es: fertig – Zeit für eine Pause! Zudem kannst du andere Schreibziele definieren, Meilensteine im Prozess, Wörterzahlen usw.. Kleine statistische Grafiken führen dir deine Schreiberfolge vor Augen, wie Diagramme mit geschrieben Stunden, Wörtern pro Tag, Woche etc.. Schon mal mit der eigenen Wörterkurve – statt der getrackten Jogging-Strecke – online geprahlt?
Alleskönner haben ähnliche Funktionen – bloß, dass sie nicht speziell zum Schreiben entwickelt wurden. Mit dem mehrfachen Testsieger Forest kannst du digitale und reale Bäume pflanzen: Du gibst an, wie lange du arbeiten möchtest. Hältst du dieses Ziel ein, wächst ein Bäumchen auf dem Bildschirm. Unterbrichst du die Schreibzeit durch Surfen mit dem Handy, stirbt der Baum. Ob du mit üppigem Grün belohnt oder mit einem verdorrten Ast bestraft wirst, hängt also einzig von deinem Durchhaltevermögen ab. Eine ähnliche App – ohne Bäume – Be Focused ermittelt durch dein Nutzerverhalten, welche Intervalle aus Schreibzeiten und Pausen ideal für dich sind.
Die Anti-Ablenker verzichten hingegen auf Schnickschnack. Denn hier geht es ums Wesentliche: Freedom und Self Control blockieren alle oder bestimmte Apps oder Internetseiten, damit dir digital nichts anderes übrig bleibt als zu schreiben. Komme nur deshalb bloß nicht auf die Idee, das Bad putzen zu müssen! Focus Writer wiederum ist ein Textverarbeitungsprogramm für das Verfassen von Rohtexten, ohne die üblichen Menüleisten und Bearbeitungsoptionen, die uns aus dem Schreibfluss bringen können. An Form usw. kann dann später in Word und Co. gefeilt werden.
Wenn diese Schreibapp-Typen nicht helfen, muss vielleicht eine App aus der letzten Kategorie ran. Denn die Schreib-Henker kennen keine Gnade: hier lautet das Prinzip Bestrafung. Wer bei Write or Die aufhört zu schreiben oder Schreibzeiten vor Ende abbricht, wird mit Lärm oder ekeligen Images bestraft, schiefe Bratschen können dann zum Beispiel aus den Boxen tönen oder Spinnen über den Bildschirm huschen. Zuletzt ist Flowstate der App gewordene Schreib-Alptraum: Tippt man während einer Schreibzeit für länger als sieben Sekunden nicht, wird das bisher Geschriebene schlicht gelöscht, und zwar unwiderruflich. Der Schreibfluss wird also zum Muss – Nutzung nur auf eigene Gefahr.
CC BY-NC-SA Mascha Jacoby, Schreibzentrum der UHH