Bewegung und Schreiben
Ein Blick auf den Schrittzähler des Smartphones offenbart, was wir schon vermuten: In den vergangenen Wochen haben wir uns weniger bewegt. Diese Erkenntnis sollte uns Schreibende aufschrecken, weil Bewegungsmangel unsere Kreativität beeinträchtigen kann.
Das Phänomen, dass wir uns weniger bewegen, betrifft nicht nur notorische Stubenhocker, sondern auch sportliche Menschen. Es fehlt uns die Alltagsbewegung, insbesondere, wenn der Arbeitsweg nur noch aus zehn Schritten vom Schlafzimmer zum Küchentisch besteht. Etwas Yoga nach dem Aufstehen oder vor der Arbeit ins Home-Office zu spazieren hilft uns nicht nur durch Rituale den Tag zu strukturieren und unsere Motivation zu steigern, sondern fördert direkt die Fähigkeit zu denken und damit zu schreiben.
Auf dem Weg vom ersten Gedanken zum fertigen Text verbinden und überlagern sich vielfältige gedankliche Prozesse. Schreiben involviert einerseits sogenanntes konvergentes Denken: logische, stringente, lineare, ordnende Prozesse – etwa um unsere Gedanken nachvollziehbar zu strukturieren. Andererseits kommen wir nicht ohne divergentes Denken aus, das uns eine unsystematische, experimentierfreudige Annäherung an eine Frage ermöglicht und Bedingung dafür ist, neue Ideen zu entwickeln. Verschiedene Studien konnten einen positiven Effekt von Bewegung auf das divergente Denken zeigen: Es fällt Menschen leichter, Ideen zu entwickeln, wenn sie sich vorher bewegt haben. Diese Studien bezogen sich auf Bewegung im aeroben Bereich, Bewegung also, die unsere Atmung beschleunigt, ohne dass wir ins Keuchen kommen. Aus diesen Befunden lässt sich die Empfehlung ableiten, beispielsweise vor einem Brainstorming erst einmal eine halbe Stunde zu joggen.
Diese Empfehlung mag zwar Jogger*innen erfreuen, sie zu befolgen ist aber kaum für uns alle vor jeder kreativen Aufgabe möglich. Marily Oppezzo und Daniel Schwartz von der Stanford Graduate School of Education haben sich deshalb gefragt, ob auch weniger intensive Bewegung wie Spazieren die Kreativität steigert und ob dieser Effekt schon während des Bewegens einsetzt. In einer Serie von vier Experimenten ließen sie Proband*innen auf dem Laufband oder draußen spazierend und sitzend über kreative Verwendungen von Alltagsgenstände nachdenken. (Als kreativ gilt dabei, was sowohl neu als auch sinnvoll ist.) Dabei zeigte sich, dass spazierende Menschen kreativer sind als sitzende und dass dieser Effekt über die Bewegung hinaus anhält. Wer also erst spaziert und dann im Sitzen Ideen entwickelt ist kreativer, als wer nur sitzt. Einen Kreativitätsbonus können andere Studien auch für Bewegungen auf der Mikroebene feststellen. Insbesondere fördert Schreiben mit Stift und Papier den Ideenfluss.
Dies alles zeigt: Schreiben ist gerade keine rein geistige Tätigkeit, die wir ausschließlich still und an unserem Schreibtisch sitzend ausführen. Ein ganzheitlicher Blick auf das Schreiben erlaubt uns, nicht nur seine räumlichen, sozialen und kommunikativen Dimensionen zu erkennen, sondern legt offen, dass gedankliche und körperliche Aktivität miteinander verknüpft sind. Um deine Gedanken und dein Schreiben in Schwung zu bringen, können folgende Tipps zielführend sein: Gehe um Gedanken zu entwickeln spazieren, bei Hamburger Schietwetter oder Zeitmangel gerne auch in der eigenen Wohnung. Gedanken sind flüchtig, zeichne sie deshalb schnellstmöglich auf. Über die Sprachaufnahmefunktion deines Smartphones kannst du einen kreativen Dialog mit dir selber führen und direkt digital festhalten. Dabei besteht auch weniger die Gefahr der Selbstzensur als bei schriftlichen Notizen. Setze Kreativtechniken wie Freewriting oder Clustering wenn möglich handschriftlich um. Verbringe deine Pausen aktiv, nicht nur um Schulter- und Nackenverspannung vorzubeugen. Bewegung bringt dich vorwärts – auch beim Schreiben.
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CC BY-NC-SA Lukas Musumeci, Schreibzentrum der UHH