Rohtexte schreiben mit Mut zur Lücke
Wunderbar, die Worte fließen. Jetzt schnell ein Beleg – Mist, Buch nicht ausgeliehen, und die Stabi hat jetzt geschlossen. War es das jetzt?
Nein, denn beim Rohtext-Schreiben kann ich auch Mut zur Lücke haben und weitermachen. Das geht so:
Rohtext mit Platzhaltern schreiben
Schreib einfach jetzt den vorläufigen Text, den du schon schreiben kannst: einen Rohtext. Solche Rohtexte sind erste Versionen, in denen du all Ihre guten Ideen schnell und im Gedankenfluss zu Papier bringen kannst, ohne dass du deinen Text schon gleich perfekt schreiben mußt. Du verfasst einfach eine erste Version, ohne dich zu zensieren. Du weißt ja: Du schreibst einen Rohtext – und den kannst und sollst Du noch überarbeiten. Der Vorteil eines Rohtextes: Du hast deine Gedanken schon festgehalten und kannst sie schriftlich weiter entwickeln.
Und jetzt kommt der Trick: Notiere dir auch gleich all das am Text, was du später zum Überarbeiten brauchst: Dass du für diese Fußnote noch Literatur in der Stabi recherchieren und ausleihen möchtest, dass dir jene Formulierung nicht gefällt, dass du dort noch eine Definition prüfen willst usw.
Ulrike Scheuermann nennt diese Methode in ihrer Schreibfitness-Mappe Partitur-Schreiben (Arbeitsblatt), weil man dabei wie in einer musikalischen Partitur die verschiedenen Stimmen, die man im Kopf hat, auf dem Papier notiert: die Melodiestimme, also den Hauptgedankengang des Textes, eine Begleitstimme, die die anmahnt, die Formulierung noch mal zu überdenken, eine Nebenstimme, die wie oben das Recherchieren weiterer Literatur anmahnt, usw.
Liste mit Suchkürzeln für Schreibgedanken anlegen:
Damit du die Lücken aus der Rohtextphase später schnell füllen kannst, markiere einfach deine Gedanken-Lücken und Nebenstimmen-Schreibgedanken mit festgelegten Suchkürzeln, die du später recherchieren kannst. So ist nichts verloren. Stockst du im Schreibfluss, notiere dir gleich das Kürzel und ggf. das „Warum?“ und schreib weiter.
Lege dir eine Liste mit Sonderzeichen an, die du als Platzhalter und Suchkürzel für genau die Anlässe verwendest, bei denen du beim Schreiben immer grübelst: z. B. fehlende Wörter, Inhalt unklar, Recherche nötig, Literaturbeleg fehlt, Formulierungsvarianten usw. Wähle Kürzel, die sich mit der Suchfunktion eindeutig recherchieren lassen. Ein Fragezeichen kann auch am Satzende stehen, zwei Fragezeichen hast du als Platzhalter definiert.
Beispiele für Platzhalter:
- Hier will ich noch recherchieren: … oder eigenes Wortkürzel, z.B. [Lit.??] für „Literatur“
- Formulierungsvarianten: Varianten mit / getrennt aufschreiben
- Fehlende Worte oder Formulierungen: # oder eigenes Wortkürzel, z.B. [ERG??] für „Ergänzen“
- usw.
Fängst du an, zu grübeln, dich selbst zu kritisieren oder zu loben, notiere diese Kommentare separat:
- handschriftlich auf einem Extrazettel,
- farbig unterlegt und in eckigen Klammern im Text,
- in der Kommentarfunktion von Word.
Statt dich zu zensieren und festzubeißen, kannst du diese Kommentare bei der Überarbeitung deines ersten Rohtextes sinnvoll nutzen. So bleibst du auch jetzt im Schreiben und bringst deine Arbeit so weit wie möglich voran. Und wenn die Bibliothek wieder öffnet, kannst du in Ruhe deine Gedanken in der Literatur überprüfen.
CC BY-NC-SA Fridrun Freise, Schreibzentrum der UHH